Formiergas: Gasmischer mit SIL

1024 576 Walter Rodriguez Hernandez

Funktionale Sicherheit bei Gasmischanlagen mit Wasserstoff-Stickstoff-Gemischen

1. Einleitung

Formiergas, ein Gemisch aus Wasserstoff (H₂) und Stickstoff (N₂), wird in zahlreichen industriellen Prozessen eingesetzt – unter anderem beim Löten, Glühen, in der Wärmebehandlung oder bei der Metallverarbeitung. Aufgrund des Anteils an Wasserstoff, einem hochentzündlichen Gas, bestehen häufig erhöhte Anforderungen an die Prozesssicherheit. Vor allem in sicherheitskritischen Anwendungen gewinnt das Konzept der funktionalen Sicherheit an Bedeutung.

Ein Maßstab dafür kann der Safety Integrity Level (SIL) gemäß den Sicherheitsstandards IEC 61508 und IEC 61511 sein. Dieser Beitrag beleuchtet die Relevanz von SIL bei Gasmischanlagen für Formiergas, die technischen Herausforderungen und Lösungsansätze.

2. Grundlagen: Was ist SIL?

SIL (Safety Integrity Level, Sicherheitsanforderungsstufe oder Sicherheitsintegritätsniveau) ist ein Maß für die Zuverlässigkeit von Systemen. https://de.wikipedia.org/wiki/Sicherheitsanforderungsstufe

Der Betreiber legt im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung (HAZOP) den Sicherheits-Integritätslevel für die Komponente oder die Anlage fest. Im Rahmen der Studie werden potentielle Gefährdungen identifiziert und beseitigt, bevor diese zu einem Unfall führen können. Aus der Studie ergeben sich Anforderungen an die Sicherheit in angepasster Stufe. Es gibt eine Stufeneinteilung von 1 (niedrigste) bis 4 (höchste), die ein Maß für die Zuverlässigkeit des Systems in Abhängigkeit vom Gefährdungspotential (Gesundheit, Umwelt, Anlagen) darstellt.

Festgelegt in den Normen IEC 61508 (generisch) und IEC 61511 (prozessindustrielle Anwendungen). Bewertet wird die Wahrscheinlichkeit des Ausfalls einer Sicherheitsfunktion bei Anforderung mit dem Ziel: Systematische Reduktion von Risiken für Mensch, Umwelt und Technik.

Gasmischer für Formiergas (Formiergas ist ein Gasgemisch aus Wasserstoff und Stickstoff) werden seit mehr als fünf Jahrzehnten auch ohne SIL betrieben. Doch der Trend zur erhöhten Sicherheit und umfassenderem Risikomanagement mit Sicherheitskonzept, erstreckt sich mittlerweile auch auf diesen Typ Gasmischer und Gasmischanlagen (auch Wasserstoffmischer genannt). Die Sicherheit von Anlagen (Anlagensicherheit) für die Formiergaserzeugung kann daher zum Beispiel mit einem SIL 1 Wasserstoff-Gasanalysator, SIL Differenzdrucküberwachung und einer SIL 1 Abschaltung erhöht werden. Damit wird die unzulässige Anreicherung von Wasserstoff im Prozessgas sicher überwacht und verhindert.

3. Formiergas: Eigenschaften und Risiken

Typischerweise besteht Formiergas aus 3–10 % Wasserstoff in Stickstoff. In seltenen Fällen werden auch Gasgemische mit deutlich höheren Wasserstoffanteilen erzeugt. Die untere Explosionsgrenze (UEG) von Wasserstoff in Luft liegt bei etwa 4 Vol.-%, die obere Explosionsgrenze (OEG) bei 77 Vol.-%. Das bedeutet, dass Wasserstoff nur in einem bestimmten Konzentrationsbereich in Luft explodieren kann.

Wasserstoff bringt folgende Eigenschaften mit:

  • Extrem leicht und diffusiv: Erhöhtes Risiko von Undichtigkeiten.
  • Niedrige Zündenergie (~0,02 mJ): Selbst kleine Funken können Explosionen auslösen.
  • Weites Explosionsspektrum (4–75 Vol.-% in Luft): Erfordert präzise Prozesskontrolle.

Risikoquellen umfassen:

  • Wasserstoffanreicherung durch unkontrollierte Mischverhältnisse.
  • Undichtigkeiten in Gasmischtechnik oder Rohrleitungen.
  • Fehlfunktionen bei Druckregelung oder Mischverhältnis.

Überschreitet der Wasserstoffanteil im Gasgemisch den eingestellten Grenzwert, kann im Prozess in der Vermischung mit Luft eine explosionsfähige Atmosphäre entstehen. Um diese Anreicherung frühzeitig sicher zu erkennen und in der Folge zu vermeiden, werden in Formiergasmischern standardmäßig Gasanalysatoren mit Abschaltung des Wasserstoffstrangs eingesetzt.

Diese Risiken beherrschen Sicherheitslösungen wie Gasanalysatoren, Differenzdrucküberwachung und Notabschaltung mit validiertem SIL-Level.

4. SIL-Anforderungen an Formiergasmischer

Die sicherheitstechnische Auslegung eines Formiergasmischers mit SIL umfasst verschiedene Teilsysteme. Es kommen folgende sicherheitsgerichtete Komponenten zum Einsatz:

4.1 Gasanalytik

  • SIL 1 Wasserstoff-Gasanalysator: Misst kontinuierlich die Wasserstoffkonzentration.
  • Funktion: Präzise Analyse zur Regelung des Mischverhältnisses. Dokumentation. Grenzwertüberwachung
  • Vorteil: Verhindert unzulässige Wasserstoffanreicherung

4.2 Differenzdrucküberwachung

  • SIL 1 Differenzdruck Sensorik: Überwacht den Druck der Gasströme (H₂ und N₂).
  • Funktion: Erkennt unkontrollierte Änderungen eines Gasstroms
  • Vorteil: Stabile Prozesskontrolle und Minimierung von Explosionsrisiken.

4.3 Sicherheitsventile und Aktorik

  • SIL-zertifizierte Komponenten: Geprüfte Absperrventile nach ISO 13849 oder IEC 61508.
  • Funktion: Sichere Trennung der Gaszuführungen, automatische Rückstellung oder Bypass-Umschaltung.
  • Vorteil: Erhöhte Anlagensicherheit durch zuverlässige Aktorik.

5. Besonderheiten der SIL-Integration in Gasmischanlagen

Die Integration eines SIL-Kreises in Gasmischanlagen erfordert einen ganzheitlichen Ansatz, der Sensorik, Logik und Aktorik umfasst.

5.1 Ganzheitlicher SIL-Kreis

  • Komponenten: Gasanalysator (Sensorik), Sicherheitsrelais (Logik), Abschaltventile (Aktorik).
  • Bewertung: Die Sicherheitsfunktion wird im Gesamtkontext validiert, nicht nur komponentenbasiert.
  • Normen: Einhaltung von IEC 61508 und IEC 61511 für Sicherheitsstandards.

5.2 Berechnung und Nachweis

  • PFDavg-Berechnung: Ermittlung der durchschnittlichen Ausfallwahrscheinlichkeit (Probability of Failure on Demand).
  • Redundanzen: Berücksichtigung redundanter Systeme und Prüfintervalle zur Risikominimierung.
  • Dokumentation: Sicherheitsdokumentation mit SIL-Validierung, Funktionsnachweisen und Inbetriebnahme-Checklisten.

5.3 Herausforderungen

  • Wasserstoffverhalten: Hohe Diffusität erfordert dichte Systeme und präzise Wasserstoffdetektion.
  • Kalibrierung: Die Sensorik muss unter Prozessbedingungen wartungsfreundlich bleiben.
  • Reaktionsgeschwindigkeit: Schutzfunktionen müssen schnell auf Abweichungen reagieren.

6. Praxisbeispiel: Formiergasmischer mit SIL 1

Anwendung: Wärmebehandlungsprozess mit 5 % H₂ in N₂

Anforderungen:

  • Prozessstabilität
  • Explosionsschutz
  • Dokumentation der Sicherheitsfunktionen

Lösung durch LT GASETECHNIK:

  • H₂-Gasanalysator (SIL 1) mit 4–20 mA-Signal
  • Differenzdrucküberwachung zwischen Gasströmen
  • Not-Abschaltung über Sicherheitsrelais
  • Sicherheitsventile nach ISO 13849-1 / IEC 61508

Ergebnis:

  • Erfolgreiche Abnahme durch Betreiber und Sachverständige
  • Reibungsloser Betrieb über mehrere Jahre
  • Wartungsfreundliches Design mit Prüfprotokollen

7. Fazit

Die Anwendung von Safety Integrity Level (SIL) bei Formiergasmischern stellt eine Möglichkeit zur Erhöhung der Prozesssicherheit dar. Aufgrund der brennbaren Eigenschaften von Wasserstoff ist eine systematische Sicherheitsbetrachtung unerlässlich. Trotz höherer Anschaffungskosten und Betriebskosten (jährliche SIL-Kreis-Prüfung) ergeben sich einige Vorteile:

  • Erhöhte Betriebssicherheit durch Minimierung von Explosionsrisiken
  • Schutz von Personal und Anlagentechnik
  • Transparenz: Vollständige Rückverfolgbarkeit durch Dokumentation

LT GASETECHNIK zählt zu den wenigen Anbietern, die komplette Gasmischer mit SIL-Kreis mit validierten Komponenten für Formiergas liefern können. Mit über 40 realisierten Anlagen bietet das Unternehmen nachweisliche Kompetenz bei Planung, Berechnung und Umsetzung von SIL-konformen Gasmischsystemen. Bei Fragen zur Umsetzung von SIL-Anforderungen in Gasmischanlagen steht LT GASETECHNIK als erfahrener Partner zur Verfügung.

Kontakt: mail@lt-gasetechnik.com